Im Hinblick auf die kulturelle Vielfalt gehört das Vielvölkerland Mali zu den interessantesten Staaten des subsaharischen Afrika. Im Lande findet man ein reiches Mosaik an Traditionen und kulturellen Ausdrucksformen. In der malischen Gesellschaft wird viel Wert auf die Respektierung von Hierarchien sowie auf Konsens und sozialen Zusammenhalt gelegt, sei es in der Großfamilie oder im Dorf. Kritik und Meinungsverschiedenheiten werden, zumindest in traditionellen Milieus, nur selten offen geäußert, wobei es jedoch – gewissermaßen als Ventile für das Reduzieren von Spannungen – bestimmte Kommunikations- und Konfliktlösungsmechanismen gibt. In diesem Zusammenhang spielen die Griots eine Rolle, die zum Beispiel bei Familienstreitigkeiten vermitteln. In erster Linie fungieren die Griots als Bewahrer des oralen Wissens, beispielsweise der Geschichte bestimmter Familien, sowie des musikalischen Erbes (zur Griot-Musik der Fulbe: oneworld). Sie singen Balladen, musizieren und erzählen, wobei sie als gesellschaftliche Außenseiter auch Kritik und Spott äußern können. Bei vielen Zeremonien und Feierlichkeiten ist die Anwesenheit eines Griots erforderlich und erwünscht. Viele der berühmtesten malischen Musiker, wie zum Beispiel Cheick Hamala Diabaté, Djelimady Tounkara und Babani Koné, stammen aus Griot-Familien. Wandlungen in der Griot-Kultur sowie die Stellung der Griots in der heutigen Gesellschaft Malis wurden von einem Forschungsprojekt der FU Berlin untersucht.
Viele Malier führen die innergesellschaftliche und zwischenethnische Harmonie auf die Existenz der sogenannten Scherzbeziehungen (auch Cousinage genannt) zurück, welche erlauben, fremde Personen „auf den Arm zu nehmen“ und dadurch Konflikten schon im Ansatz zu begegnen. Zudem helfen Scherzbeziehungen, Allianzen zwischen Ethnien, beispielsweise zwischen Dogon und Bozo, beziehungsweise zwischen Familienclans, so zum Beispiel zwischen Keita und Coulibaly, zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Als traditionelle Konfliktvermeidungs- und Regelungsmechanismen leisten die Scherzbeziehungen, die bis heute von vielen Maliern aktiv und gerne gepflegt werden, einen wesentlichen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben sehr unterschiedlicher Individuen und Gruppen.
Kunst
In der Architektur des in Mali weit verbreiteten Sudanstils lassen sich zahlreiche nordafrikanische Einflüsse finden, welche auf die engen historischen Verbindungen zwischen Nordafrika und dem Sahel-Sudan-Raum zurückzuführen sind. Eine der beeindruckendsten Städte Westafrikas ist die tausendjährige Stadt Djenné, eines der Zentren der traditionellen sudanesischen Lehmarchitektur. Die Altstadt von Djenné mit ihrer beeindruckenden Großen Moschee wurde im Juli 2016 von der UNESCO zum bedrohten Weltkulturerbe erklärt. Wenige Kilometer von Djenné entfernt liegt die kulturhistorisch bedeutende Ausgrabungsstätte Djenné Djéno. Dorfmoscheen prägen das Gesicht vieler Dörfer und sind sowohl Ausdruck einer tiefen Religiosität wie auch der sudanesischen Lehmarchitektur. In den Jahren 2004 bis 2006 wurde eine der landesweit wichtigsten Moscheen in Mopti umfassend restauriert.
Das Handwerk ist in Mali weit verbreitet. Hergestellt werden sowohl Werkzeuge, Geräte und Güter des täglichen Lebens (beispielsweise Töpferwaren), wie auch eine Vielzahl von kunsthandwerklichen Produkten, wie zum Beispiel im traditionellen Puppentheater verwendete Marionetten sowie die über die Landesgrenzen hinaus berühmten gefärbten Bogolan-Stoffe, welche die Grundlage für innovatives Textilhandwerk bilden.
Eine erhebliche Bedrohung des kunsthistorischen Erbes des Landes stellt der Handel mit geraubten Kunstgegenständen dar.
Die malische Musikkultur vereinigt eine Vielzahl traditioneller und moderner Einflüsse und Stilrichtungen. Zahlreiche malische Musiker sind auch in Europa bekannt, beispielsweise Ali Farka Touré, Oumou Sangaré, Salif Keita, Habib Koité, Rokia Traoré, Bassekou Kouyaté, Babani Koné, das blinde Sängerpaar Amadou und Mariam, Toumani Diabaté, Boubacar Traoré, Fatoumata Diawara, die Rapband Smod und die Tuaregband Tinariwen, in der sich ehemalige Rebellen zusammengefunden haben. Europäische und amerikanische Musiker, wie Jasper van’t Hof und Ry Cooder haben sich von der vielfältigen Musikkultur Malis inspirieren lassen.
Zahlreiche Künstler, so zum Beispiel der Sänger Salif Keita, beziehen zu sozialen Fragen Stellung. So tritt Salif Keita gegen die Diskriminierung von Albinos ein, die auch in Mali anzutreffen ist. Für sein Engagement erhielt er in 2009 den Festivalpreis des Afrika Festivals Würzburg. Internationale Beachtung erlangte das Musikfestival in Essakane in Nordmali. Allerdings fand das als Festival au Désert bekannte Festival seit 2010 aus Sicherheitsgründen zunächst in Timbuktu statt. Aufgrund der zeitweiligen Besetzung der Stadt durch islamistische Rebellen wurde das Festival in 2013 nach Burkina Faso verlegt. In 2014 fand es erneut im Exil statt, und zwar in Berlin, und ab 2015 wieder an verschiedenen Orten in Mali.
Persönliche Eindrücke von einer Reise zum Musikfestival in Essakane findet man im Reisetagebuch des Musikers Hubert von Goisern. Sehr empfehlenswert ist auch der Besuch des alljährlich in Ségou stattfindenden Nigerfestivals. In Djenné wird anlässlich des alljährlichen feierlichen Verputzens der Außenwände der Großen Moschee das Djennery-Festival organisiert.
Sehr sehenswert ist auch das alljährliche Volksfest der Fulbe anlässlich der Nigerüberquerung von Rinderherden in Diafarabé (Region Mopti).
International bekannte malische Filmemacher sind Souleymane Cissé, Assane Kouyaté und Cheick Oumar Sissoko. Hintergrundinformationen zum Film Kabala des Regisseurs Assane Kouyaté findet man auf der Internetseite von Africa Alive. Viel Beachtung fand der globalisierungskritische Film Bamako des mauretanischen Filmemachers Abderrahmane Sissoko. Mit der Emigrationsproblematik setzen sich das Theaterstück „Pourquoi partir?“ und der Film Mirages auseinander. Im Film Mali-Blues beziehen Künstler Stellung gegen islamistischen Terror, Unterdrückung und Korruption.
Der Fotograf Malick Sidibé zählte zu den bedeutendsten Fotografen des subsaharischen Afrikas. Als erster Bürger Afrikas erhielt er bei der Biennale 2007 in Venedig einen Goldenen Löwen. Die
Auszeichnung wurde ihm für sein Lebenswerk verliehen. Eine Auswahl seiner Fotografien lässt sich zum Beispiel auf der Internetseite von Afronova finden. Als berühmtester malischer Schriftsteller gilt Amadou Hampaté Bâ. Aktuelle Informationen zum kulturellen Angebot in Bamako lassen
sich zum Beispiel auf der Internetseite des Französischen Kulturzentrums finden.
Religion
Schätzungsweise 90 % der Malier bekennen sich zum Islam (fast ausschließlich Sunniten). Die zweitgrößte Religionsgruppe stellen die Anhänger von Naturreligionen, die zahlenmäßig schwer erfassbar sind. Christen machen lediglich wenige Prozente der Bevölkerung aus, wobei Katholiken in der Mehrzahl sind und Christen vor allem unter den Angehörigen kleinerer Ethnien anzutreffen sind.
Die größte aus Lehm errichtete Moschee der Welt befindet sich in Djenné, ca. 500 km nordöstlich von Bamako. Die in den Jahren 1907 bis 1909 errichtete Moschee ist ein exzellentes Beispiel für den sudanesischen Moschee-Baustil. Einmal die Woche findet auf dem weitläufigen Vorplatz der Moschee ein großer Markt statt (im Bildvordergrund).
Seit 2009 besteht in Timbuktu ein mit südafrikanischer Unterstützung errichtetes modernes Forschungs- und Studienzentrum, das sich der Erforschung und dem Erhalt des reichen islamischen Schriftschatzes der Stadt widmet. Zahlreiche der alten Schriften werden zudem in privaten Haushalten und in Privatbibliotheken aufbewahrt. Während der zeitweiligen Besetzung Timbuktus durch islamistische Rebellen richteten diese erhebliche Zerstörungen am reichen islamischen Kulturerbe der Stadt und ihrer tiefgläubigen Bewohner an. Zahlreiche der in dieser Zeit zerstörten Kulturdenkmäler wurden mittlerweile mit Unterstützung der UNESCO wiederaufgebaut.
Politische und gesellschaftliche Bedeutung von Religion
Die Übergänge zwischen Islam und Christentum auf der einen Seite, und traditionellen Glaubensvorstellungen der Naturreligionen auf der anderen Seite sind bisweilen fließend.
Obwohl sich ca. 90 % der Malier zum Islam bekennen, haben traditionelle Glaubensvorstellungen einen hohen Stellenwert beibehalten und fließen weiterhin in viele Bereiche des Lebens ein. Eine Besonderheit bei den Bambara ist das Fortbestehen von Geheimbünden. Auch in der traditionell geprägten Dogon-Kultur spielen traditionelle Glaubensvorstellungen immer noch eine große Rolle.
Bei allen Volksgruppen weit verbreitet sind sogenannte Gris-Gris, worunter man eine Vielzahl von Schutz- und Glücksamuletten versteht. Sie sollen vor Unglück bewahren und Glück bringen.
Der in Mali praktizierte Islam kann als gemäßigt bezeichnet werden. Allerdings gewinnen Befürworter einer strikteren Glaubenslegung und -ausübung an Bedeutung. Dennoch stellen verschleierte Frauen in der Öffentlichkeit weiterhin die weitgehende Ausnahme dar. Zu betonen ist auch, dass die Vorstellungen und Forderungen der islamistischen Rebellen, die zeitweilig weite Teile Nordmalis unter ihre Kontrolle gebracht hatten, auf eine entschiedene Ablehnung seitens der einflussreichen islamischen Vereinigungen gestoßen sind.
Mit Besorgnis wurde in Bamako jedoch das bisweilen gewaltsame Vorgehen einer Minderheit unter den Moslems gegen als unmoralisch gebrandmarkte Bars und Hotels beobachtet.
Der Islam hat einen prägenden Einfluss auf die Gesellschaft und das Alltagsleben, was sich vor allem während des Fastenmonats Ramadan beobachten lässt. Insbesondere im ländlichen Raum prägen die fünf Gebete den Tagesablauf. Koranlehrer und Schriftgelehrte genießen hohes Ansehen und spielen eine große Rolle sowohl als Ratgeber wie auch als Schlichter von Streitigkeiten. Hoch angesehen sind auch Mekka-Pilger.
Wichtigste Feste sind das islamische Opferfest Aid el Kebir, in Mali Tabaski genannt, sowie das Fest am Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan. Das Verhältnis zwischen der Regierung und den einflussreichen islamischen Vereinigungen wurde durch die Pläne der Regierung zur Einführung eines neuen Familiengesetzes auf eine ernste Probe gestellt. In dem 2011 verabschiedeten Gesetz fanden letztlich zahlreiche Forderungen der islamischen Vereinigungen Berücksichtigung. Das Gesetz gilt daher als wesentlich konservativer als der ursprüngliche Gesetzentwurf, der von den islamischer Vereinigungen und einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wurde. Insgesamt lässt sich seit einigen Jahren ein deutlich zunehmender Einfluss der islamischen Vereinigungen auf die Politik ausmachen, wie während der schweren innenpolitischen Krise Mitte 2020 deutlich sichtbar wurde. Der einflussreiche islamische Geistliche Mahmoud Dicko, der im September 2019 die Coordination des mouvements, associations et sympathisants (CMAS) gründete, spielte bei den Protesten gegen den damaligen Präsidenten Keita eine führende Rolle. Nach dem Militärputsch im August 2020 verkündete er seinen Rückzug aus der Politik.
Hintergrundinformationen zum Verhältnis von Islam und Politik in Westafrika bietet die FES. Hinsichtlich der Berücksichtigung islamischer Werte bei der Planung von Entwicklungsprojekten hatte das Kleinkreditprogramm des GTZ-Programms Mali-Nord grundlegende Erfahrungen gesammelt.
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Kai Uwe Seebörger. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Mali die Inhalte veröffentlicht werden.